Drei Gemeinden für ein Halleluja

Nachricht 12. Februar 2022

St. Nicolai, St. Michaelis und St. Hülfe-Heede arbeiten ab 2023 als „eine evangelische Kirche für Diepholz“

DIEPHOLZ. Die evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden St. Nicolai, St. Michaelis und St. Hülfe-Heede in Diepholz arbeiten schon seit vielen Jahren im „Verbundenen Pfarramt“ zusammen. Jetzt haben die drei Kirchenvorstände entschieden, das Zusammenwachsen zu forcieren, noch aktiver zu gestalten und eine neue Struktur aufzubauen, die die Arbeit effektiver organisieren, Synergien nutzen und mehr Angebote möglich machen soll. Jedes Gemeindeglied wird auch zukünftig eine*n feste*n Ansprechpartner*in für die wichtigen Lebensereignisse haben, ansonsten soll ab 2023 ein Team aus sechs Hauptamtlichen für die drei Gemeinden zuständig sein.

Die vertrauten Gesichter bleiben: Pastorin Kathrin Wiggermann, Diakonin Frauke Laging und Pastor Stephan Winter werden mit je 100 Prozent-Stellenanteil im „Seelsorgeteam“ arbeiten; Superintendent Marten Lensch mit 10 Prozent, Kirchenmusikerin Meike Voss-Harzmeier mit 50 Prozent. Neu dazu kommt Pastorin Ulla Schmidt-Lensch (Beauftragte für die Lektoren- und Prädikantenarbeit im Sprengel Osnabrück) mit 25 Prozent Pfarrstellenanteil.

„Wir nehmen uns ein Beispiel an den Jugendlichen in unseren Gemeinden, die uns schon seit Jahren vorleben, dass es funktioniert, sich nicht nur an einem Kirchturm zu orientieren, sondern dort zu sein, wo es für einen selbst das richtige Angebot gibt“, sagt Jasmin Schröring-Abke. „Das wollen wir auch erreichen. Wir drei Gemeinden möchten für die Menschen eine evangelische Kirche in Diepholz werden.“

Conrad Breitenbach (Kirchenvorstand St. Michaelis) ergänzt: „Unsere Zusammenarbeit funktioniert schon seit vielen Jahren gut. Die Corona-Krise gab nun den Anstoß, sie auf eine neue Basis zu stellen. Bisher war zwar jede Gemeinde noch eigenständig, aber wir haben schon lange gemeinsame Veranstaltungen, Planungen, Vertretungen und Ausschüsse. Aus der Zusammenarbeit soll nun eine Verwaltungseinheit werden, um Doppelstrukturen abzubauen, Kräfte zu sparen und die Stärken und Potenziale der Gemeinden für ganz Diepholz verfügbar zu machen. Da kommt sicher vieles auf den Prüfstand, aber ich sehe darin große Chancen. Es bringt viele Vorteile, wenn es für verschiedene übergeordnete Bereiche nur noch eine*n Ansprechpartner*in gibt. Und es schafft Freiräume für Hauptamtliche und Büro, wenn Planung, Steuerung der Ressourcen und die Organisation von Gottesdiensten, Kreisen und Veranstaltungen aus einer Hand gemacht werden. So wird mehr Zeit sein, um sich aufs Wesentliche zu konzentrieren: Auf die Menschen in den Gemeinden und das Evangelium.“

Auch Sabine Wilker (Kirchenvorstand St. Hülfe-Heede) sieht in der neuen Struktur große Vorteile für ihre Gemeinde: „Ab 2023 beginnt aufgrund sinkender Mitgliederzahlen und Einsparungen im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz eine neue Planungsrunde, die für die einzelnen Regionen auch Kürzungen bei den Pfarrstellen mit sich bringt. Darin wäre für unsere Kreuzkirchengemeinde ab 2028 nur noch eine halbe Pfarrstelle vorgesehen. Um die vielfältigen Aufgabenbereiche abzudecken, brauchen wir also Unterstützung. Aber wir können umgekehrt auch unsere Gaben einbringen. Ich denke, der Prozess der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sicht- und Arbeitsweisen wird eine Bereicherung für die Weiterentwicklung unseres eigenen Profils werden. Ehrenamtliche aus allen Gemeinden können von ihren verschiedenen Kompetenzen profitieren und eventuelle Lücken ausfüllen. Außerdem erzeugen geteilte Pfarrstellen in unterschiedlichen Gemeinden Doppelbelastungen. Um auch in Zukunft attraktiv für Stellenbewerber zu sein, ist es also klug, neue Strukturen zu finden.“

Dass auf dem gemeinsamen Weg noch einige Steine liegen, ist den ehrenamtlich Engagierten im Kirchenvorstand und den Hauptamtlichen klar. „In einem komplexen, über Jahre gewachsenen System eine neue Struktur zu schaffen, die einfach und durchschaubar ist, ist erst mal schwierig“, weiß Kathrin Wiggermann. „Aber Veränderung schafft auch Aufbruchsstimmung und damit neue Energie, wie wir gerade feststellen.“

Wichtig sei es vor allem, transparent zu kommunizieren und alle Gemeindemitglieder mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Sorgen auf die Reise mitzunehmen, betonen Sabine Wilker und Conrad Breitenbach. „Es muss jedem klar werden, dass wir zwar Geld sparen wollen, aber keinesfalls die kirchliche Arbeit in unseren Gemeinden.“

Vielen falle es noch schwer, den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus zu richten. Frauke Laging kann die Verlustängste treuer Gemeindemitglieder durchaus nachvollziehen: „Ich habe Verständnis für den Abschiedsschmerz von der Erfahrung, dass eine Person das ,Gesicht der Kirchengemeinde‘ ist, das mich von Anfang bis Ende bei allem begleitet. Es soll auch so bleiben, dass jedes Gemeindeglied eine*n feste*n Ansprechpartner*in hat in seelsorgerlichen Fragen und wenn es um die Begleitung an wichtigen Stationen im Leben geht: Taufe, Trauung, Beerdigung. Aber wir wollen auch zeigen, dass Kirche viele Gesichter hat: Haupt- und Ehrenamtliche, Menschen, die regelmäßig mitmachen und die, die sich Heiligabend treffen. Wir alle sind Kirche.“  Sie freue sich, mit einer vollen Stelle neu zum Team der festen Ansprechpartner*innen dazuzukommen, sagt die Diakonin, die bisher je zur Hälfte in der St.Nicolai-Gemeinde und im Kirchenkreisjugenddienst hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet hat und sich zukünftig mit einem vollen Stellenanteil ausschließlich für die drei Diepholzer Gemeinden engagieren wird. „In Zukunft darf ich Menschen auf ihrem gesamten Lebensweg begleiten.“
Auch Ulla Schmidt-Lensch freut sich, ab September miteinzusteigen: „Ich arbeite gerne im Team und sehe hier gute Möglichkeiten, gemeinsam mit den ehrenamtlich Mitarbeitenden und den Kolleg*innen das Gemeindeleben zu gestalten.“

Die Vielfalt kirchlicher Angebote in Diepholz könnte durch den Zusammenschluss größer und bunter werden, hoffen die Aktiven, und an vielen Stellen würden Kräfte frei für neue Ideen. Denn in Zukunft müsse ja nicht mehr jede Gemeinde die ganze Angebotspalette selbst abdecken. Durch die räumliche Nähe zueinander seien die Wege zum jeweiligen Angebot an einem anderen Ort in Diepholz nicht weit. Conrad Breitenbach gibt ein Beispiel: „Wer im Gottesdienst lieber populäre Musik hört, wird sich in St. Hülfe oder St. Michaelis wiederfinden. Wer klassische Musik mag, geht in die St. Nicolai-Kirche.“ „… Dafür muss sich niemand plötzlich einer anderen Kirche zuordnen. Die Gemeinden bleiben erhalten“, ergänzt Kathrin Wiggermann.

 „Wir wollen die Seelsorgebezirke in der zweiten Jahreshälfte so aufteilen, dass jede*r eine*n feste*n Ansprechpartner*in vor Ort hat; aber einzelne Arbeitsbereiche können über die bisherige Gemeindegrenzen hinaus organisiert werden“, erklärt Marten Lensch. „Wir können mehr gabenorientierte Schwerpunkte setzen. In den nächsten Monaten bilden sich Arbeitsgruppen zu verschiedenen Arbeitsfeldern wie Gottesdienste, Jugend- und Seniorenarbeit, Kinder und Familie, Kirchenmusik, Diakonie, Strukturfragen und einiges mehr, um herauszufinden, wo eine intensivere Zusammenarbeit möglich und sinnvoll ist.“
Die Gemeinden „gleich zu machen“, sei ausdrücklich nicht das Ziel der neuen Struktur: „Alle drei Gemeinden haben ganz eigene Traditionen und Profile. Sie haben bisher auf sehr unterschiedliche Weisen das Evangelium an die Menschen weitergegeben. Und diese Vielfalt soll erhalten und durch bessere Koordination sogar noch gestärkt werden.“

Dieser Punkt liegt auch Stephan Winter am Herzen: „Wir wollen Gemeinsames ebenso intensiv stärken wie Individuelles. Frömmigkeitsunterschiede als bunte Vielfalt wertschätzen und es auch mal stehen lassen, wenn man nicht alles gleich und gemeinsam machen muss. Wir wollen uns fragen: Welche Dinge können wir gemeinsam besser? Und welche Stärken der Ortskirchengemeinden und einzelner Mitarbeiter können für alle gemeinsam noch fruchtbarer gemacht werden? Von welchen Arbeitskraft-Aufwendungen könnten gleichzeitig alle profitieren? Wie lassen sich bestimmte Gaben der Haupt- und Ehrenamtlichen für alle nutzen? Wir wollen Zugänge Einzelner in alle Gemeinden hinein schaffen, um das Umsetzen von Ideen durchlässiger zu machen und Möglichkeiten für neue Aktivitäten zu schaffen. Wir wollen Kirche neu denken: kreativ, modern, vielseitig, mit Angeboten für noch mehr unterschiedliche Bevölkerungsschichten, Altersgruppen, Lebens- und Glaubensstile.“

Die Kirchenkreissynode tagt im April und beschließt die neue Stellenplanung, danach beginnt die heiße Phase in den Arbeitsgruppen. Ab Januar 2023 soll die neue Struktur in Diepholz umgesetzt werden.

Miriam Unger