„Meinem Opa hätte das sehr gefallen“

Nachricht 10. März 2022

Der 24-jährige Mathematiker und Physiker Markus Kraft wird in Ströhen als Lektor eingeführt

STRÖHEN (miu). Der größte Fan wird am kommenden Sonntag hoffentlich ganz vorne sitzen, wenn Markus Kraft um 9.30 Uhr in der Kirche in Ströhen von Superintendent Marten Lensch in sein Amt als Lektor eingeführt wird. „Meine Oma ist so richtig stolz, dass ich mich in der Kirche engagiere und bald sogar selbst Lesepredigten halten darf“, sagt der 24-Jährige.

Das Predigen hat in seiner Familie eine lange Tradition: „Da waren viele Pastoren. Mein Opa war Pastor, meine Oma hat sich um vieles gekümmert, was zu seinem Beruf gehörte; und auch meine Mutter hat anfangs kurz den Weg in die Theologie eingeschlagen, ist dann aber Krankenschwester geworden“, erzählt Markus Kraft. „Ich bin immer mit der Kirche im Hintergrund aufgewachsen. Das hat mich geprägt.“ Ganz automatisch ging er als kleiner Junge zu den Kinderbibeltagen, später in den Konfirmandenunterricht und in den Posaunenchor.

Wer Markus Kraft kennenlernt, kommt nicht als erstes auf die Idee, dass er sich mit theologischen Fragen auseinandersetzt. Er ist ein sachlicher, praktischer Typ, der vieles gleichzeitig machen kann. Er hat Mathe und Physik studiert, momentan ist er mit seinem Master in Mathematik beschäftigt. Nebenbei arbeitet er schon seit sieben Jahren in einem Ingenieurbüro in Wagenfeld, das elektrische Anlagen prüft. „Da habe ich damals als Aushilfe angefangen, mittlerweile bin ich dort Werkstudent und habe mich weitergebildet, um als Sachverständiger arbeiten zu können. Mein Fachgebiet ist Explosionsschutz. Aufgrund meines Physik-Hintergrunds kann ich beurteilen, wie man mit welchen Stoffen umgeht, Konzepte für Brandmeldeanlagen erstellt und die Anlagen prüft. Vielleicht schlage ich damit einen für Physiker und Mathematiker ungewohnten Berufsweg ein, aber in vielen Bereichen sind Kenntnisse aus beiden Fächern gefordert, und mir macht es Spaß.“
Im vergangenen Jahr hat Markus Kraft zusammen mit seinem Chef und dessen Sohn eine Firma gegründet, in der er als Geschäftsführer tätig ist. Er war lange Leistungsschwimmer im TUS Wagenfeld, nun arbeitet er als Trainer der Leistungsgruppe vom Beckenrand aus mit und spielt aktiv Wasserball. Er arbeitet viel, macht Sport, hat eine Freundin – wie schafft man es, dann noch eine Lektorenausbildung zu schaffen? „Ach, das ist ja was Privates, das ich persönlich für meine eigene Entwicklung machen wollte und nicht, weil ich es musste oder weil es für irgendeinen Weg entscheidend ist…“, schmunzelt der junge Mann.

Sein Interesse an Religion habe schon etwas mit seinem Opa zu tun. „Aber um Theologie zu studieren, muss man ja sprachlich sehr stark sein. Da bin ich nicht so begabt. Aber für mich war es immer interessant, mich mit theologischen Fragen zu beschäftigen. Im ersten Lockdown habe ich über vieles nachgedacht und hatte das Gefühl, vielleicht hilft es mir, mich intensiver mit Glaubensthemen auseinanderzusetzen. Es war, als ob ein Wunsch, der vielleicht schon immer da war, langsam höher kam. Und ich merkte: Ich möchte das mal mitteilen. Und auch hören, was andere dazu zu sagen haben.“

Die Verantwortlichen in der Kirchengemeinde Wagenfeld waren sofort begeistert und unterstützten sein Interesse, die Lektorenausbildung zu machen.

„Für die meisten Pastoren ist ihr Beruf ja wirklich eine Berufung. Sie predigen nicht nur sonntags, sondern gehen als Pastor durchs Leben – mit allen Aufgaben und Pflichten, die zu diesem Beruf dazu gehören. Wir Ehrenamtlichen gehen anders durchs Leben. Wir kommen aus unterschiedlichen Berufen, unsere Berührung mit theologischen Themen ist vielleicht auch eine andere, aber ich glaube, dass die Gedanken und Erfahrungen aus unseren Blickwinkeln auch lehrreich sein können. Ich gucke mit meinem mathematisch-physikalischen Hintergrund bestimmt anders auf eine Bibelstelle als jemand, der in Literatur bewandert ist.“

Was ihm selbst für seine Gottesdienste wichtig ist? „Ich möchte nicht so viel mit Zitaten um mich schmeißen und nicht zu theologisch predigen. Ich will einfach, dass sich die Leute angesprochen fühlen und sich an der Predigt und an der Musik freuen. Gerade Instrumentalstücke können nach einer Predigt noch mal richtig viel sagen. Ich finde es schön, wenn ein Stück die Thematik oder das Gefühl aufnimmt und es musikalisch fortführt.“

Eine Person weiß schon, um was es in seiner ersten Predigt gehen soll: „Meine Oma interessiert das alles total. Sie hat meine Entwürfe gelesen, und sie ist richtig glücklich darüber, dass ich das mit dem Verkündigen mache“, freut sich Markus Kraft. „Und sie meint, Opa hätte das auch sehr gefallen.“

Die Einführung von Lektor Markus Kraft durch Superintendent Marten Lensch ist am Sonntag, 13. März, um 9.30 Uhr in der Kirche in Ströhen.

Miriam Unger