„Ich bin Schulseelsorgerin – keine Therapeutin.“

Nachricht 16. Juni 2025

Josefine Waldow, Lehrerin an der Grundschule Lemförde, hat eine Zusatzausbildung gemacht, um Kindern einen geschützten, wertfreien Raum zu geben / Einführung in der Martin-Luther-Kirche

Josefine Waldow

Es waren die kurzen, eher beiläufigen Gespräche auf dem Flur, zwischen Klassenzimmer und Lehrerzimmer, die Josefine Waldow ins Nachdenken brachten. „Häufig saß ich abends zuhause und habe mich gefragt: Wollte das Kind mir vielleicht was ganz anderes damit sagen? Und: Mensch, das hätte ich doch besser machen können!“ Die 29-Jährige Lehrerin sieht jung aus, offen und freundlich. Kein Wunder also, dass Schüler*innen gern zu ihr kommen, ihr die eigenen Gefühle und Probleme anvertrauen. Das war von Anfang an so, schon im Praktikum und Referendariat. Aber diese Situationen, sagt Josefine Waldow, habe es immer mal wieder gegeben – dass ihr ein Satz oder eine Geste nachgegangen sind. Und dass sie das Gefühl hatte, nicht das gehört oder gesagt zu haben, was in dem Moment wichtig gewesen wäre.

Als sie vom Angebot einer Qualifikation zur Schulseelsorgerin hörte, hatte sie gleich den Eindruck: Das könnte das Richtige sein. Und am kommenden Freitag, 20. Juni, führt Marten Lensch (Superintendent im evangelischen Kirchenkreis Grafschaft Diepholz) Josefine Waldow nach bestandener Ausbildung auch schon ins Amt ein – um 8.30 Uhr in der Martin-Luther-Kirche in Lemförde. Mit der neuen Aufgabe schafft die junge Lehrerin einen vertraulichen, wertfreien, Raum an der Grundschule Lemförde – für alle, die ihn brauchen.

„Die Stelle ist ein Ehrenamt, das ich zusätzlich zu meiner Tätigkeit als Lehrerin an der Schule ausübe. Es gibt keine festgelegten Stunden wie bei Beratungslehrkräften, daher richtet sich der Umfang meiner Stelle immer nach meinen aktuellen Kapazitäten“, erzählt Josefine Waldow. „Aber mithilfe dieser Ausbildung am Religionspädagogischen Institut in Loccum habe ich einen Weg gesucht – und ja nun auch gefunden – der mir nicht nur seelsorgerliche Gespräche ermöglicht, sondern auch meinen Blick auf diese viel häufigeren kleinen ‚Tür-und-Angel‘-Gespräche geschult hat. Ich denke, das wird es mir leichter machen, besser auf die Themen eingehen zu können. Ich finde es wichtig, den Kindern an unserer Schule einen geschützten Raum zu ermöglichen, in dem sie alles loswerden können, was ihnen auf dem Herzen liegt.“

Als Schulseelsorgerin versteht Josefine Waldow ihre Rolle klar und bewusst. „Ich bin für die Menschen an meiner Schule da – das heißt für unsere Schüler*nnen, mein Kollegium und auch für die Eltern. Ich bin da, wenn jemand Unterstützung beim Nachdenken, bei der Lösung eines Problems oder jemanden zum Zuhören braucht.“

Wichtig sei dabei aber auch, die eigenen Grenzen zu kennen: „Ich bin nicht ‚die Lösung‘. Ich bin eine Begleiterin, eine Zuhörerin, vielleicht eine Impulsgeberin. Aber ich bin nicht dafür da, dass zum Beispiel Kolleg*innen mich anfragen, mich um ein Kind mit auffälligem Verhalten zu kümmern. Ich kann auch niemandem helfen, der zu mir ,geschickt‘ wurde, weil es in der Klasse, auf dem Pausenhof oder zu Hause schwierig läuft. Selbstverständlich bin da, wenn ein*e Schüler*in von sich aus mit mir sprechen möchte. Die Menschen, die zu mir kommen, müssen es selbst wollen. Ich kann nicht ,machen, dass alles wieder gut ist‘. Aber ich kann auf dem Weg zur Lösung unterstützend begleiten.“ Auch gegenüber Eltern macht sie klar: „Ich bin Schulseelsorgerin – keine Therapeutin.“

Erreichbar ist sie aber für jede*n, und das auch ganz unkompliziert: „Die Kinder und Kolleg*innen können mich einfach in der Schule ansprechen, sie können mir aber auch eine Mail schreiben oder einen Zettel in mein Fach legen lassen.“

Seit fast vier Jahren arbeitet Josefine Waldow an der Grundschule Lemförde. Derzeit ist sie Klassenlehrerin einer ersten Klasse – „eine wunderbare erste Klasse!“, findet sie.

In ihrer Freizeit ist die 29-Jährige am liebsten draußen – besonders im Wald. Sie lebt mit ihrem Mann in Venne (Ostercappeln), unternimmt viel mit Familie und Freunden, liest gern und spielt mit Begeisterung Gesellschaftsspiele. „Wir haben einen ganzen Schrank voll, und ich freuen uns schon jetzt riesig auf die Spielemesse im Herbst, wo ich wieder neue Spiele entdecken und ausprobieren kann.“

Miriam Unger