„Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass unsere Strukturen Täter einladen.“

08. März 2024

Synode des Kirchenkreises beschließt umfangreiches Schutzkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt / Änderungen im Stellenplan / Parlament wird verkleinert

VARREL (miu). Mit großer Zustimmung beschloss die Synode des Kirchenkreises Grafschaft Diepholz am Mittwochabend im Küsterhaus in Varrel ein detailliertes neues Schutzkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Superintendent Marten Lensch und Ingo Jaeger, Vorsitzender der Kirchenkreissynode, freuten sich über das deutliche Interesse und die vielen Wortmeldungen der rund 50 Delegierten zum Thema.

Seit mehr als einem Jahr beschäftigt sich eine siebenköpfige Steuerungsgruppe aus verschiedenen Arbeitsbereichen des Kirchenkreises mit der Erarbeitung eines umfangreichen Schutzkonzepts. Das Ergebnis stellen Diakonin Sina Bramlage und Kirchenkreisjugendwart Lucas Jakobus, Mitglieder der Steuerungsgruppe, den Vertreter*innen des kirchlichen Parlaments nun vor.

„Kirche ist ein Ort, an dem viele Menschen zusammenkommen und mitmachen können. Ein persönliches Miteinander, Beziehungsarbeit und Vertrauen haben bei uns immer eine große Rolle gespielt. Solche Strukturen können leider aber auch potenzielle Täter einladen“, betont Superintendent Marten Lensch. „Nicht nur andere Organisationen und Kirchen, sondern auch die evangelische Kirche hat Tätern in der Vergangenheit Möglichkeiten der Grenzüberschreitung geboten. Das wollen und müssen wir für die Zukunft mit allen Mitteln verhindern. Kirche muss ein sicherer Ort für alle sein. Niemand darf sich in unseren Räumen und Angeboten, auf unseren Freizeiten, bei unseren Veranstaltungen, während Seelsorge-Gesprächen oder Gruppentreffen bedroht oder belästigt fühlen.“

Der Arbeitsgruppe war es von daher wichtig, im Schutzkonzept alle Gelegenheiten für Grenzüberschreitungen und Möglichkeiten von Missbrauch zu ergründen. Knapp 40 Seiten umfasst das Werk. Es enthält nicht nur klare Definitionen von Grenzen und Übertretungen, Material zur Sensibilisierung und Prävention für das Thema, sondern auch Verpflichtungserklärungen, Formblätter, Checklisten sowie praktische Empfehlungen wie etwa Risikoanalysen für Räumlichkeiten. Es dürfe keine Schlupflöcher und dunklen Ecken in Gemeinden und Einrichtungen geben, erklärt Sina Bramlage. „Jugendtreffs und Kellerräume müssen einsehbar sein. Die Vertraulichkeit muss natürlich weiterhin gewahrt werden, aber auch ein Seelsorge- oder Beratungs-Gespräch unter vier Augen muss in einem geschützten und sicheren Rahmen stattfinden.“

Das Konzept beinhaltet, dass ausnahmslos jede*r Haupt- und Ehrenamtliche in Leitungsfunktionen sowie alle, die mit Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen und anderen Schutzbefohlenen arbeiten, verpflichtend Schulungen durchlaufen müssen. Auch die Verpflichtung, erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse vorzuweisen, wird ausgeweitet.

Das Schutzkonzept enthält alle nötigen Formulare und Anträge, Hilfestellungen und Ansprechpartner*innen; Strategien der transparenten Aufarbeitung von Fällen und Krisen- und Interventionsfahrpläne. Und es sieht das Installieren eines niedrigschwelligen Melde-Management vor.

Nach dem Beschluss der Synode sind nun alle Gemeinden, Einrichtungen und Arbeitsbereiche im Kirchenkreis Diepholz verpflichtet, auf der Grundlage dieser Kirchenkreis-Fassung bis zum Ende des Jahres ein auf die eigenen Gegebenheiten angepasstes Schutzkonzept vorzulegen.
Die Konzepte sollen anschließend regelmäßig überprüft und laufend weiterentwickelt werden.

Eine herausfordernde Aufgabe für die neuen Kirchenvorstände, die am kommenden Sonntag gewählt und ab Juni im Amt sein werden. Aber die Delegierten der Synode sind sich einig über die Wichtigkeit. „Ich sehe es als eine gute Chance für die neuen Kirchenvorstände an, dass wir uns gleich zu Beginn der Amtszeit mit einem so wichtigen Thema beschäftigen“, sagt Dieter Suckut, Mitglied im Kirchenvorstand der Kreuzkirchengemeinde St. Hülfe-Heede. Frauke Laging, Diakonin in Diepholz, pflichtet dem bei: „Mit Hilfe des Konzepts und mit vier ausgebildeten Multiplikatorinnen im Kirchenkreis halte ich es auch für ganz neue Kirchenvorstände für eine machbare Aufgabe, gleich als erstes so ein Konzept anzupacken.“

Weiter geht's mit Veränderungen im Stellenrahmenplan: „Alle Anteile bleiben erhalten, wir bekommen sogar noch 25 Prozent von außen finanziert dazu“

Im Anschluss beschließt die Kirchenkreissynode noch einige Änderungen im Stellenrahmenplan.

Das Pastoren-Ehepaar Edith und Michael Steinmeyer wird ab dem 1. April jeweils mit einer vollen Stelle in der Gesamtkirchengemeinde Ströhen-Wagenfeld arbeiten. Dadurch kann die Vakanz in Ströhen geschlossen werden.

In der Region Sulingen gibt es etwas Bewegung: Pastor Gerald Engeler reduziert seinen Beschäftigungsumfang von 100 auf 75 Prozent. Er behält seine halbe Stelle in der Kirchengemeinde Schwaförden-Scholen, gibt seinen anderen Pfarrstellenteil in der Kirchengemeinde Sulingen zum 1. April ab und übernimmt dafür einen Zusatzauftrag von 25 Prozent zur Mitarbeit in der Gesamtkirchengemeinde Ströhen-Wagenfeld.

Auch Pastorin Juliane Worbs wird ihre halbe Pfarrstelle in der Ortskirchengemeinde Sulingen zum 1. Juli 2024 verlassen. Sie arbeitet weiterhin mit ihrer 50 Prozent-Projektstelle für das Projekt „Ankerzeit“, die im Juli sogar noch mit landeskirchlichen Mitteln um zusätzliche 25 Prozent aufgestockt wird.

„Ich freue mich, dass wir den Wünschen aller vier Kolleg*innen nachkommen können und die Lösungen auch noch so gut umsetzbar sind“, erklärt Marten Lensch. „So können wir für Sulingen eine volle und somit für mögliche Bewerber*innen attraktivere Pfarrstelle ausschreiben. Alle Stellenanteile bleiben erhalten, und der Kirchenkreis bekommt sogar noch 25 Prozent zusätzlich, die von außen finanziert werden.“

Eine mögliche Vakanz-Zeit in Sulingen könne dank der beiden Springer-Pastor*innen im Kirchenkreis, Gesa Junglas und Martin Lenzer, gut aufgefangen werden.

Außerdem beschließt die Synode noch die Einrichtung einer Diakoninnen-Stelle im Umfang von fünf Stunden pro Woche in der Kirchengemeinde Kirchdorf. Die Stelle besetzt Diakonin Sonja Bachhofer aus Kirchdorf.

Zum Schluss diskutiert und entscheidet das Parlament noch eine Verkleinerung der Kirchenkreissynode. „Durch die Verringerung der Zahl von Kirchenvorsteher*innen in den Gemeinden nach der Wahl werden ab der kommenden Legislaturperiode automatisch auch weniger Personen für eine Mitarbeit auf Kirchenkreisebene zur Verfügung stehen“, begründet Synoden-Vorsitzender Ingo Jaeger.

Angedacht ist eine Verkleinerung von bisher 45 gewählten und 11 berufenen Mitgliedern auf künftig 35 aus den Wahlbezirken gesandte Personen. Die Möglichkeit, zusätzliche Mitglieder zu berufen, wird es weiterhin geben.

Die nächste Kirchenkreissynode ist für den 4. Dezember geplant.

Miriam Unger