„Man sollte dem Ernst des Lebens nie das letzte Wort geben“

Nachricht 16. Januar 2024

Jutta Aichinger wird am 17. März in Freistatt als Lektorin eingeführt - sie stellt sich selbst vor:

Was kommt dabei raus, wenn ein Kabarettist einen Psalm schreibt? In vielen Fällen alberner Murks, in die Form eines vermeintlichen Gebets gepresst. Und im wahrscheinlich bekanntesten Fall, dem Psalm des Komikers und Poeten Hanns Dieter Hüsch, das hier:
Was macht, dass ich so fröhlich bin / in meinem kleinen Reich? / Ich sing und tanze her und hin / vom Kindbett bis zur Leich. / Was macht, dass ich so furchtlos bin / an vielen dunklen Tagen? / Es kommt ein Geist in meinen Sinn, / will mich durchs Leben tragen. / Was macht, dass ich so unbeschwert / und mich kein Trübsinn hält? / Weil mich mein Gott das Lachen lehrt / wohl über alle Welt.“  

Wo Glaube, Gott und lautes, lebendiges Lachen dicht beieinander liegen, da ist sie zu finden: Jutta Aichinger, 61 Jahre, ehemaliges Vorstandsmitglied in der Kirchenkreissynode und allseits für ihre Herzlichkeit, Spontanität und deutlich sichtbare Freude bekannt. Natürlich kennt sie die Sätze von Hüsch. Sie sind ja wie für sie geschrieben.

Und Jutta Aichinger möchte von dieser Fröhlichkeit und Begeisterung etwas weitergeben. Darum hat sie sich zur Lektorin ausbilden lassen, um selbst Gottesdienste gestalten und Lesepredigten halten zu dürfen. Am 17. März um 15 Uhr führt Superintendent Marten Lensch sie in der Moorkirche in Freistatt offiziell ins Amt ein.

Was es sonst so über sie zu sagen gibt, das erzählt Jutta Aichinger am besten selbst:

„Meine Eltern waren keine Kirchgänger. Aber meine Mutter hat oft mit mir gebetet, als ich noch ein Kind war. In der Apotheke in Schleswig lagen damals immer bunte Bilderbücher aus, in denen unter anderem von Jesu‘ Gleichnissen erzählt wurde. Ich war fasziniert von diesen Geschichten und ging von da an jeden Sonntag zum Kindergottesdienst. Auch die Konfirmandenzeit war schön für mich und mit vielen Aktivitäten und Freizeiten verbunden.

Mit Anfang 20 erlebte ich dann aber mehrere familiäre Schicksalsschläge und hatte wirklich Zweifel daran, ob es Gott tatsächlich gibt. Ich lebte und arbeitete eine Zeit lang in der Schweiz und in England, zog zurück nach Deutschland, nach Hannover. Die Kirche habe ich nur noch selten besucht, auch wenn Kirchen für mich immer Kraft- und Ruheorte waren. Gebetet habe ich noch in Zeiten, die weniger gut waren. Und wenn, dann hat wahrscheinlich niemand auf der Welt Gott mehr Fragen gestellt als ich.

Wirklich intensiv zum Glauben zurückgefunden habe ich erst wieder, als ich nach Barnstorf zog. In St. Veit erlebte ich eine engagierte Kirchengemeinde aus Haupt- und Ehrenamtlichen, die mich sofort ansprach. Diese Mischung gab mir bereichernde geistliche Impulse. Ich wurde Mitglied im Hauskreis bei Familie Meyer und besuchte immer wieder unterschiedliche Gottesdienstformen – „seven up“, „heaven@eleven“, Lobpreisabende, Taizé-Gottesdienste… Aber ich mag auch die ganz klassischen Liturgien. Gern habe ich mich viele Jahre in der Barnstorfer Kirchengemeinde engagiert und war auch sechs Jahre Mitglied der Kirchenkreissynode.

Seit etwas über einem Jahr wohne ich nun mit meinem Mann in Freistatt. Da wir beide naturverbunden sind und gern Outdoor-Aktivitäten wahrnehmen, sprach uns das Wasser- und Landschaftsschutzgebiet hier sehr an.

Für die Ausbildung zur Lektorin habe ich mich entschieden, weil ich gern Neues lerne und mich in meiner jetzigen Kirchengemeinde Freistatt wieder vielfältig einbringen möchte. Ich mag die Mitarbeit am Gemeindebrief, unseren Bibelkreis, die Kinoabende, die gute Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Und besonders mag ich es, Menschen Hoffnung zu vermitteln und mit ihnen zu beten. Ich bin dankbar, wie viele wunderbare Geschwister im Glauben ich in all den Jahren kennenlernen durfte. Mich interessieren Menschen, die ihren Glauben authentisch leben und nicht nur auswendig gelernte Sprüche plappern – sprich: Wasser predigen und Wein trinken.

Ich selbst kann mir heute ein Leben ohne Jesus nicht mehr vorstellen und will es auch nicht. Letztes Jahr hatte ich eine schwere Erkrankung. Darum werde ich am 1. März nach über 22 Jahren als Arbeitsvermittlerin bei der Bundesagentur für Arbeit in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Aber man sollte dem Ernst des Lebens nie das letzte Wort geben. Ich lache sehr gern und bin überzeugt davon, dass Glaube auch Humor braucht. Denn das bewahrt vor Fanatismus.“

Miriam Unger