„In Deine Kirche komm ich nicht – komm Du doch zu uns!“

01. März 2024

„gUtesdienst“: Der Kneipen-Gottesdienst „bei Ute“ in Sulingen wird am 23. März im NDR gezeigt

SULINGEN. Eigentlich heißt die Kneipe „Zum Schwarzen Ross“. Sie liegt genau auf der Mitte zwischen Kirche und dem Pfarrhaus, in das Michael Wendel im Sommer 2022 als Pastor eingezogen ist. Der Schankraum hängt voller alter Fotos mit Promis der Bühnenwelt, die irgendwann in und um Sulingen einen Auftritt hatten. Die Seele der Kneipe ist Ute Meyer (65) – für alle Besucher nur „Ute, die Gute“. In ihrer Kneipe bekam Michael Wendel den für ihn „goldenen Satz“ zu hören: „In Deine Kirche komm ich nicht – komm Du doch zu uns.“ Die Herausforderung hat er angenommen. Seit November 2023 lädt der Pastor nun immer an jedem zweiten Montag im Monat zu einem besonderen Gottesdienst in die Kneipe ein.

Seitdem kommen regelmäßig etwa 70 Kneipengäste zwischen 25 und über 80 Jahren. Und am 11. März wird nicht nur das Stammpublikum dabei sein, sondern auch der NDR mit einem Kamerateam.

„Der etwas andere Gottesdienst“ bei Ute, wie die Veranstaltung auf dem Plakat betitelt wird, ist in Sulingen inzwischen besser bekannt als „gUtesdienst“. Und das Motto „Gott ist auch Dein Bier“ wird an den Abenden mit Leben gefüllt – während des 30-minütigen Gottesdienstes wird gezapft und gekellnert, wie es sich für eine lebendige Kneipe eben gehört.

Der Gottesdienst folgt ansonsten durchaus einem bestimmten Ablauf: Er beginnt mit
„Ute Hymne“, die viele mittlerweile schon mitsingen. „Musik ist die halbe Miete“, weiß der Pastor, der selbst am Keyboard sitzt. Begleitet wird er immer von Jannis aus der Gemeinde am Cajon. Hin und wieder leistet er sich auch mal die Unterstützung einer Sängerin. Die säkularen Lieder sucht Michael Wendel sorgfältig aus, denn auf ihre Textzeilen bezieht sich seine kurze Predigt. „Leonard Cohen, Silbermond, Ich&Ich oder Joan Osborne – das sind so Stücke, die Themen aufgreifen, die die Leute bewegen: Sinn, Glück, Leid, Sehnsucht...“.

Nicht fehlen darf weder bei der Vorbereitung noch in der Kneipe Thomas Blum, Mitglied der Gemeinde und Moderator des „gUtesdienstes“.

Das Angebot hat sich herumgesprochen, sagt Wendel. „Die Leute gehen nicht raus, wenn ich anfange. Es ist sogar so, dass sie am Ende sagen: ,Och, kannst ruhig noch ein bisschen länger!‘“. Nach einem Segenslied ist Schluss, aber die Gespräche gehen weiter, manchmal über die Woche hinweg irgendwo in Sulingen.

Kürzlich hat Michael Wendel die Enkelin der Kellnerin aus Utes Kneipe getauft. Sie habe es ja nicht so mit Kirche, gestand sie ihm, aber seit sie Kirche in der Kneipe erlebe, sei sie doch positiv überrascht.

Michael Wendel kommt aus dem Ruhrpott. „Das ist mein Ding – mit Leuten zu quatschen, in ihrer Sprache“, sagt er. Natürlich ist er selbst längst Mitglied eines Stammtischs bei Ute. So hat er sie kennen- und ihre Offenheit für seine Idee schätzen gelernt.

Als Stammgast irritieren den Theologen Thekenrufe wie „Mach ma‘ zwei Pils fertig“ während seiner Predigt nicht. „Das ist hier auf dem Land oder in einer Kleinstadt einfach so. Man kennt sich, hat Kinder getauft, konfirmiert oder Eltern beerdigt.“

Am 11. März kommt der NDR schon drei Stunden vor dem „gUte(n) Gottesdienst“, gegen 16 Uhr. Ist er aufgeregt? „Noch nicht – aber dann werde ich es sein“, lacht Michael Wendel.
Gesendet wird die Geschichte voraussichtlich am Samstag, 23. März, ab 18 Uhr im NDR – in der Sendung „NDR Nordtour“.

Brigitte Neuhaus