„Mister MAV“ übergibt den Staffelstab

16. Januar 2024

Ralf Vullriede, langjähriger Vorsitzender der Mitarbeitendenvertretung, geht in den Ruhestand

„Der Friedhof ist voller Menschen, die unersetzbar sind“, sagt Ralf Vullriede und lacht. „Das ist einer meiner Lieblingssprüche. Und er gilt natürlich auch für mich.“ Schwer vorstellbar, denn für die meisten Mitarbeitenden im Kirchenkreis Grafschaft Diepholz ist Vullriede seit Jahrzehnten „Mister MAV“ – der Ansprechpartner bei arbeitsrechtlichen Unklarheiten und Problemen. Seit 29 Jahren gehört der 64-Jährige zur Mitarbeitendenvertretung (MAV), seit 2000 ist er deren Vorsitzender. Doch nun ist es Zeit, den Staffelstab zu übergeben – Ralf Vullriede verabschiedet sich in den Ruhestand.

Ermüdungserscheinungen oder Verdrossenheit sind ihm nicht anzumerken. Der Diepholzer schaut gerne auf seine lange Laufbahn. Wie er zur Kirche gekommen ist? „Mit dem Rad, bei schlechtem Wetter auch mit dem Auto.“ Nein, Quatsch: „Zur Kirche als Arbeitgeberin bin ich 1987 gekommen. Ich war damals Leiter des Jugendfreizeitzentrums bei der Stadt Diepholz und auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Für das Jugendamt habe ich Gutachten über jugendgefährdende Schriften erstellt. Eines Tages machte mich die Jugendpflegerin des Landkreises darauf aufmerksam, dass das damalige Kinderheim in der Jahnstraße eine neue Leitung suchte. Ich bewarb mich und wurde genommen.“

In die MAV wurde er 1994 gewählt als Vertreter der Mitarbeitenden im Kirchenvorstand der St. Nicolai-Kirchengemeinde. „Rückblickend ist die Zeit nur so verflogen. Die Arbeit endete ja nie nach einer Wahlperiode. Es ging immer weiter: Alte Projekte wurden fortgesetzt, neue in Angriff genommen, Menschen kamen hinzu, andere gingen – wie im normalen Leben“, blickt Ralf Vullriede zurück.

Ins Mitarbeitervertretungsgesetz arbeitete er sich schnell ein – „darin sind die Aufgaben der MAV ja deutlich beschrieben. Eine der Haupttätigkeiten sind die Angelegenheiten, in denen die MAV mitbestimmungspflichtig ist. Daneben gilt es, die Mitarbeitenden zu informieren und zu unterstützen in ihren beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Die MAV soll auch dafür eintreten, den Auftrag der Kirche zu stärken, sozial miteinander umzugehen und gut zusammenzuarbeiten.“

In den meisten Anliegen der Kolleg*innen ging es um Arbeitsrecht – „Kündigungsfristen, Entgeltentwicklung, Arbeitszeitverkürzung oder -erweiterung. Spezielle Geschichten, die nur in unserem Kirchenkreis vorkamen, sah ich wenig. Hin und wieder haben wir durch Initiativanträge Dinge angeschoben und im Rahmen von Dienstvereinbarungen in unserem Kirchenkreis individuelle Vereinbarungen abgeschlossen. Aber meist ging es um Veränderungen, die von außen bestimmt wurden – wenn etwa neue rechtliche Rahmenbedingungen eingetreten sind oder in der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission (ADK) Beschlüsse gefasst wurden, die dann vor Ort umgesetzt werden mussten. Und natürlich auch mal um sehr individuelle Probleme, zum Beispiel Spannungen mit der Leitung oder mit Kolleg*innen.“

Haben sich die Themen und die MAV-Arbeit von damals bis heute verändert? „Ja“, findet Ralf Vullriede. „Meiner Meinung nach ist die Arbeit in allen Bereichen viel professioneller geworden. Auch die Digitalisierung hat große Fortschritte gemacht, und dieser Prozess hört ja auch nicht auf. Die Zahl der Mitarbeitenden bei uns hat sich im Vergleich zu meinen Anfangsjahren mehr als verdoppelt. Aber während wir zu Anfang meiner MAV-Zeit unter vielen Bewerbern die geeigneten Mitarbeiter heraussuchen mussten, ist der Arbeitskräftemangel aktuell in fast allen Bereichen unsere größte Herausforderung. Alle Maßnahmen stehen heute unter dem Überbegriff Mitarbeiterfindung und -bindung. Es gibt einige wirklich gute Angebote im Kirchenkreis – unser Sportprogramm und die Möglichkeit des E-Bike-Leasings im Rahmen der Entgeltumwandlung zum Beispiel. Aber ich habe den Eindruck, die Ernsthaftigkeit des Fachkräftemangels ist leider noch nicht überall so deutlich angekommen.“

Nicht nur in der MAV, auch im Gesamtausschuss (GA) der Landeskirche und in der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission (ADK) wirkte Ralf Vullriede viele Jahre mit. „Diese Vernetzung war nicht nur für mich sehr wichtig, sondern hat auch unserer MAV gedient mit den aktuellen Informationen.“ Egal an welcher Stelle – er habe es immer als ein Privileg empfunden, so viele Menschen kennenzulernen und mit ihnen arbeiten zu dürfen, sagt Ralf Vullriede. „Fast jede Aufgabe war lehrreich für mich, und am schönsten war es immer, wenn ich jemanden auf seinem Weg begleiten und weiterhelfen konnte.“ Häufig seien über berufliche Belange hinausgehende Beziehungen entstanden, „und ich denke, einige dieser Freundschaften werde ich auch nach meiner aktiven Arbeitszeit in mein Privatleben mitnehmen“.

Er selbst freue sich nun auf seine neu gewonnene Freiheit. „Die Aussicht, mehr Zeit mit meinen Enkelkindern zu haben und damit auch meine Kinder ein wenig zu unterstützen, ist sicher ein Gewinn. Und meine Frau freut sich, jetzt sicher mal öfter spontan etwas mit mir unternehmen zu können ohne die leidige Frage, wann ich denn mal wieder Zeit habe.“

Wie „seine“ MAV nun ohne ihn klarkommen wird, darum macht sich der 64-Jährige gar keine Sorgen: „Wir haben ein super Team, und es war mir eine Ehre, es so lange zu begleiten. Die Zukunft gehört nun meiner Nachfolgerin Sarah Frerking, die ich noch einarbeiten durfte. Sie setzt neue Maßstäbe und wird die MAV auch weiter in die digitale Zukunft führen. Unterstützt durch das Team, unsere erfahrene Schriftführerin Sabine Heitmann und die neue stellvertretende Vorsitzende Laurien Maieli, bin ich mir sicher, dass es mit der MAV sehr positiv weitergehen wird.“

Miriam Unger