„Wer im Kirchenvorstand mitarbeitet, leitet ein kleines Unternehmen.“

Nachricht 01. Juli 2023

Im Interview: Susanne Briese, Landespastorin für Ehrenamtliche im Haus kirchlicher Dienste in Hannover

KIRCHENKREIS (miu). Wie und wo finden wir Menschen, die Interesse haben, sich im nächsten Kirchenvorstand zu engagieren? Vielleicht sogar Jugendliche und junge Erwachsene? Was könnte Ehrenamtliche an dieser Aufgabe reizen? Und was können wir ihnen bieten? Wie machen das andere Gemeinden? Gibt es gute Beispiele, Kampagnen, Aktionen, von denen wir lernen können? Wie läuft überhaupt die Kandidat*innensuche für die Kirchenvorstandswahl im Frühling 2024 so im Gebiet unserer Landeskirche? Das alles wollten wir von Susanne Briese wissen. Sie ist Landespastorin für Ehrenamtliche im Haus kirchlicher Dienste.

Liebe Frau Briese, die Kirchenvorstandswahlen im Frühling 2024 beschäftigen unsere Gemeinden im Kirchenkreis schon jetzt stark. Die Suche nach Kandidat*innen ist an vielen Orten schwierig. Welche Beobachtungen und Erfahrungen machen Sie derzeit zum Thema KV-Wahl?
„Unsere Landeskirche hat bereits 2022 mit Informationsveranstaltungen zur KV-Wahl begonnen und in Präsenz und online einen großen Personenkreis erreicht. Außerdem steht Informationsmaterial online und in gedruckter Form zur Verfügung.
Die Änderungen in Wahlrecht und Wahlablauf werden die Arbeit deutlich vereinfachen für diejenigen, die vor Ort die KV-Wahl vorbereiten und durchführen. Das wird überall sehr positiv aufgenommen. Die Suche nach Kandidat*innen ist dabei natürlich ein sehr wichtiges Thema. Einige Gemeinden sehen diese Aufgabe als unproblematisch an; andere befürchten, dass es schwierig sein könnte, ausreichend Kandidat*innen zu finden. Wir unterstützen die Gemeinden darin, sich mit Erfolg auf die Suche zu machen.“

Und wie? Welche Unterstützung bietet die Landeskirche den Gemeinden konkret an?
„Die Website www.kirchemitmir.de bietet Informationen zur Arbeit des Kirchenvorstands, Material zur Kandidat*innensuche und zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Unter der Rubrik „FAQs“ gibt es Antworten auf häufig gestellte Fragen. Außerdem beraten wir Kirchenkreiskonferenzen, Synoden und Kirchenvorstände persönlich vor Ort und bieten auch in unseren Online-Beratungen „Irgendwas ist immer!“ Information und Beratung zur KV-Wahl an. In Kürze beginnen die Schulungen für die Kirchenämter und die Gemeindesekretariate zur KV-Wahl. Darüber hinaus gibt es eine Hotline (0511-1241444) und eine E-Mail-Adresse für konkrete Fragen: kirchemitmir.de. Sie sehen: Wir möchten die Gemeinden bestmöglich unterstützen bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl.“

Was raten Sie als Fachfrau für Ehrenamtliche – wie und wo findet man geeignete Kandidat*innen? Und wie begeistert man sie dafür, im nächsten Kirchenvorstand mitzuarbeiten?
„Am besten ist es, viele aus der Gemeinde in die Suche einzubeziehen. Menschen, die im Ort gut vernetzt sind, können zum „Mitdenken“ eingeladen werden.
Ich habe eine Umfrage gestartet, in der ganz klar wird: Das Beste am KV finden die meisten die Gestaltungsmöglichkeiten, die Gemeinschaft und der Zusammenhalt. Davon kann – und sollte – man erzählen!
Bevor man das Gespräch mit möglichen Kandidaten sucht, ist es ganz wichtig, sich selbst bewusst zu machen, wofür das eigene Herz bei dieser Aufgabe schlägt. Was treibt Sie persönlich an? Was zeichnet Ihre KV-Arbeit aus? Aber auch: Was sehen Sie kritisch und wie könnte sich an so einer Situation etwas ändern? Das ist eine wichtige Vorbereitung. Denn ein Blick auf die eigene Arbeit im Kirchenvorstand stärkt die Auskunftsfähigkeit über das, was die eigene Gemeinde prägt und den Kirchenvorstand ausmacht. Die Zeit, die Menschen zum Nachdenken darüber investieren, wird sich lohnen.“

Welche Altersgruppen, Professionen und Interessensbereiche sollte man besonders gezielt ansprechen, um eine Gemeinde leiten zu können?
„Das neue Gesetz sieht vor, noch intensiver als bisher nach jungen Erwachsenen bzw. Jugendlichen für die Mitarbeit im KV zu suchen. Das halte ich für eminent wichtig, um deren Perspektive mehr Gewicht zu verleihen und sie in die Gestaltung des Gemeindelebens mit einzubeziehen. Insgesamt ist eine ausgewogene Mischung im Blick auf Generation, Geschlecht und Kompetenz sinnvoll – angesichts der Aufgaben, die im KV zu erfüllen sind.“

Welche Wege sind aus Ihrer Sicht erfolgsversprechend, um junge Menschen zu erreichen?
„Es gibt viele Möglichkeiten für junge Menschen, sich in der Kirche zu engagieren. Wir sollten im Blick haben, welche Aufgaben für sie besonders attraktiv sein könnten. Die Chance, etwas zu bewegen, zählt auf jeden Fall dazu – und ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen, wo ihnen etwas zugetraut wird und wo sie Unterstützung bekommen.“

Haben Sie Aktionen oder Strategien zur Kandidat*innensuche erlebt, die Sie ganz besonders spannend, ungewöhnlich und clever fanden und auch unseren Kirchenvorständen empfehlen?
„Da gibt es einige sehr gute Aktionen. Zum Beispiel die Bierdeckel-Idee zur Wahlwerbung, die sich der Kirchenkreisverband Osnabrück Stadt und Land ausgedacht hat (www.kv-wahl.de/service-und-downloads). Aber auch die Video-Clips zur Kandidat*innensuche, die zwei Ehrenamtliche für die offizielle Wahl-Website gestaltet haben (www.kirchemitmir.de/meine-kirche/hannover/kandidieren).

Wie hat sich die Arbeit und Verantwortlichkeit von Kirchenvorständen in den letzten Jahren verändert?
„Wer im Kirchenvorstand mitarbeitet, leitet gemeinsam mit dem Pfarramt ein kleines Unternehmen. Das Besondere daran ist geblieben: Die Hauptaufgabe besteht darin, dazu beizutragen, dass Menschen von heute die befreiende Botschaft Jesu Christi erleben können.. Aber natürlich haben sich die Aufgaben in den letzten Jahrzehnten genauso verändert wie die Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft insgesamt. Wir leben in komplexen Zeiten. Da werden Aufgabenteilung und professionelle Beratung immer wichtiger. Aber auch die Einsicht, dass man nur dann etwas Neues entwickeln kann, wenn man sich auch von alten Strukturen und Formen verabschiedet. Dass Gremien gelegentlich online tagen, ist inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das war „vor Corona“ noch nicht denkbar.“

Wie und wohin wird sich die KV-Arbeit Ihrer Einschätzung nach in den kommenden Jahren noch verändern?
„Wir können heute noch nicht sagen, welche Entwicklungen die Zukunft bringen wird, darum ist eine Prognose nicht einfach und auch nicht ratsam. Es ist gut, Veränderungen genau wahrzunehmen und das eigene Handeln Schritt für Schritt darauf abzustimmen. Was ich aber für sehr wichtig halte, ist: Ehrenamtliche in Leitungsposition sollten kompetente Beratung an der Seite haben und dadurch spürbar entlastet werden. Zunehmend sollten Verwaltungsprozesse durch die Digitalisierung vereinfacht werden – was oft schon geschieht.“

Sie sind als Landespastorin für Ehrenamtliche besonders dicht dran an unseren unentgeltlich Mitarbeitenden. Was ist Ihr Eindruck – werden sie in einem ausreichenden Maß gewertschätzt und unterstützt? Was wünschen sie sich? Was brauchen sie?
„Kirche ist ohne Ehrenamt nicht zu denken. Dass Menschen sich in unserer Kirche engagieren, gehört zu den leitenden Prinzipien. Das Engagement ist statistisch gesehen seit 20 Jahren auf einem hohen Niveau. Aber neben denjenigen, die gern auch langfristig in traditionellen Bereichen ehrenamtlich tätig sind, gibt es zunehmend Menschen, die sich für ein Engagement eher gewinnen lassen, wenn Tätigkeiten attraktiv sind, Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen/Fähigkeiten, und einen persönlichen Gewinn ermöglichen und ihre Wünsche nach zeitlicher Überschaubarkeit und Befristung berücksichtigen. Beides gibt es, und mit beiden Bedürfnissen müssen sich Verantwortliche vor Ort befassen.
Was wir immer wieder hören, ist: Ehrenamtliche wünschen sich Ansprechpartner*innen, die sich um ihre Anliegen und Fragen kümmern, aber auch Anwält*innen für das Ehrenamt sind. Das wird bisher nicht in allen Kirchenkreisen, Regionen und Gemeinden umgesetzt. Und meistens sagen Ehrenamtliche selbst: Wertschätzung heißt nicht allein, ab und zu ein Danke zu hören und Blumen überreicht zu bekommen (obwohl das auch gut ist), sondern als gleichrangige Partner*innen einbezogen und ernst genommen zu werden.“

Welche Maßnahmen wird die Landeskirche in den kommenden Jahren, in denen Ehrenamtliche ja immer stärker benötigt werden, ergreifen, um die Arbeit von Kirchenvorständen stärker zu unterstützen? Wird z.B. über eine finanzielle Honorierung dieses Einsatzes gesprochen?
„Die Landeskirche plant ein Ehrenamtsgesetz und gestaltet dazu im Herbst einen Fachtag, bei dem unter anderem diese Frage beraten wird. Ich selbst kann mir gut vorstellen, dass es zukünftig für bestimmte Aufgabenbereiche eine finanzielle Honorierung geben könnte – vielleicht in der Parallele zu Übungsleiterpauschalen im Sportbereich oder Ehrenamtspauschalen.“

Miriam Unger

Kontakt

SUSANNE BRIESE
Landespastorin für Ehrenamtliche

„Haus kirchlicher Dienste“
Archivstraße 3
30169 Hannover

Telefon: 0511 – 1241-128
E-Mail: susanne.briese@evlka.de