am 20. November 2021
In diese Novemberwoche am Ende des Kirchenjahres fallen zwei kirchliche Feiertage, in denen die Besinnung im Mittelpunkt steht: Am Mittwoch war Buß- und Bettag, morgen ist Ewigkeits-Sonntag, im Volksmund meist geläufiger als Totensonntag.
Zum Ewigkeits-Sonntag gedenken wir unserer Toten - die Gräber auf den Friedhof werden mit Grabschmuck versehen. Diese Tradition ist im Abnehmen begriffen – viele Bestattungen erfolgen inzwischen unter einem Baum in Friedwäldern, wo meist noch auf einem Schild der Name des Verstorbenen festgehalten ist oder auf anonymen Gräberfeldern, die nicht geschmückt werden. Das mag mit der zunehmenden Mobilität von Familien zusammenhängen – immer seltener leben die nachfolgenden Generationen noch am gleichen Ort wie die Eltern und Gr0ßeltern. Da ist es einfach praktischer, mit weniger Aufwand verbunden, wenn Grabstellen nicht in jedem Frühjahr neu bepflanzt und im Herbst winterfest gemacht werden müssen.
Zu hoffen ist, dass die Erinnerung an Menschen, die nicht mehr am Leben sind, dadurch nicht geringer, unwichtiger wird. Eine Gesellschaft , die sich nicht mehr ihrer Vorfahren, ihrer Geschichte erinnert, steht in der Gefahr, ihre Wurzeln zu verlieren.
Ich denke, Trauer braucht einen Ort des Gedenkens, der Erinnerung. Und sie bedarf der Namen, damit Erinnerung lebendig bleibt, Gestalt gewinnt. Daran erinnert uns ein Vers des Propheten Jesaja: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“
Dieser Vers erinnert uns zugleich daran, dass wir als einzelne Menschen zugleich Teil von Gottes ganzer Schöpfung sind, dass wir Ebenbilder Gottes für die Zukunft unserer Welt Verantwortung tragen.
Damit kommt der kirchliche Feiertag in den Blick, den wir am Mittwoch begingen – der Buß- und Bettag. Dieser Tag ist ein Feiertag der evangelischen Kirche, der immer wieder angesichts von aktuellen Notständen die gesamte Bevölkerung zu Umkehr und Gebet aufrief. Erst gegen Ende des 19 Jahrhunderts wurde er zum landeseinheitlichen Tag am Mittwoch vor dem Totensonntag; so gab es z.B. 1878 insgesamt 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen.
Seit 1995 gibt es – mit Ausnahme des Landes Sachsen – den Buß- und Bettag als gesetzlichen Feiertag nicht mehr; zum Ausgleich der höheren Belastung der Arbeitgeber infolge der im gleichen Jahr eingeführten Pflege-Pflichtversicherung entfiel dieser arbeitsfreie Tag für Arbeitnehmer.
Daher werden Gottesdienste am Buß- und Bettag seither meist in den Abendstunden gefeiert. Für die Menschen, die diese Gottesdienste besuchen, sind sie ein besonderes spirituelles Anliegen: Es geht dabei neben den theologischen Fragen nach Schuld, Vergebung und Umkehr vor allem um das eigene gelingende Leben und die verantwortliche Gestaltung der Zukunft. Es geht weniger um ethische Fragen als vielmehr um innere Einkehr und Neubesinnung jedes einzelnen.
Der zentrale Vers aus dem für dieses Jahr vorgeschlagenen Predigttext aus der Bergpredigt bietet eine gute Messlatte dafür: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“
Bekannt ist dieser Vers als „Goldene Regel“, die auch von vielen Nichtchristen angenommen werden kann. Sie lässt mehr Freiheit als die einzelnen Gebote der Bergpredigt und eröffnet gleichzeitig die Hoffnung auf eine gute Zukunft oder wie wir Christen sagen: auf das Himmelreich.
Solche Hoffnung haben wir nötiger dann je in diesen Zeiten!
Rainer Triller - Prädikant der Kirchengemeinde Varrel