am 5. Juni 2021
„Wo bist du?“ – Am Telefon klingt diese Frage unspektakulär. Brisanz bekommt sie, wenn ich einen Menschen vermisse und suche.
Wo bin ich? Diese Frage an mich selbst stellt mich in Beziehung zu meiner Lebenssituation, aber auch zu meinen Mitmenschen und zu meinem Gott. Auch unser christlicher Glaube gibt die Möglichkeit, eine Standortbestimmung zu machen, wo wir gerade in unserem Leben stehen. Was hat sich verändert? Was müsste sich ändern? Was möchte ich ändern?
Wo sind wir Christen? kann man auch in der aktuellen Situation unserer Gesellschaft fragen – und unser Bundespräsident hat das getan. Engagierte Christinnen und Christen werden gebraucht, um gegen zunehmende Spaltungstendenzen in der Gesellschaft anzugehen, sagte er bei der Festveranstaltung zur offiziellen Eröffnung des diesjährigen Ökumenischen Kirchentages in Frankfurt. Und er führt weiter aus: „Ich sehe mit Sorge, dass die Auseinandersetzungen in unserem Land mit immer größerer Erbitterung geführt werden. Dass Familien im Streit zerbrechen, Freundschaften auseinandergehen; dass Räume des Dialogs ersetzt werden durch Filterblasen, in denen Hass und Hetze gedeihen.“
Die Frage „Wo bist du?“ durchzieht die gesamte Menschheitsgeschichte. Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird beschrieben, wie sich der Mensch davor drückt, für sich selbst und für das Leben Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung (engl.: respons-ability) ist die Fähigkeit auf eine Situation angemessen zu antworten bzw. zu reagieren. Gott fragt uns Menschen „Wo bist du?“ und ermutigt uns, für uns selbst, für unsere Mitmenschen und für die Welt Verantwortung zu übernehmen. Das Gebet dieses Tages kann uns dazu stärken: Gott unser Vater, alles Gute kommt von dir. Schenke uns deinen Geist, damit wir erkennen was recht ist, und es mit deiner Hilfe auch tun.
Ansgar Stolte, kath. Pastor der Kirchengemeinden Barnstorf, Diepholz und Sulingen.