am 31. Mai 2025
Ich bleibe immer wieder gerne hängen an Zitaten, die ich in Zeitschriften aufgreife oder Wortfetzen, die ich aus den Augenwinkeln an irgendeiner Werbetafel wahrnehme. Seit ein paar Wochen beschäftigt mich das Wort „Wunschzettel“, das mir beim Entsorgen von Altpapier entgegenfiel.
Während das Wort doch eigentlich eher an Weihnachten erinnert, greift es dennoch den aktuellen Stand des Kalenderjahres auf: Die Zeit zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, im weiteren Sinne sogar zwischen Ostern und Pfingsten. In dieser sogenannten Zwischenzeit durchleben die Jünger Jesu eine Achterbahn der Gefühle. Da sind Enttäuschungen, Irritationen, Trauer und Perspektivlosigkeit.
In meinen Begegnungen werde ich immer wieder mit dieser Achterbahn der Gefühle meines Gegenübers konfrontiert. Enttäuschung von Fehlentscheidungen manch eines Vorgesetzten, sowie im Rahmen von zwischenmenschlichen Beziehungen, Irritationen über das Verhalten von Politikern, Perspektivlosigkeit von jungen Menschen, die durch den übervollen Informationsfluss von Medien keinen Sinn in ihrer Zukunft sehen.
Vielen fehlt der Rahmen, der Halt, die Sicherheit. Doch was hilft? Was gibt Halt und Sicherheit?
In all dieser Achterbahnfahrt, diesem Chaos, steckt immer auch die Einladung innezuhalten und still zu werden. Lothar Zenetti (ein kath. Theologe und Priester) beschreibt in seinem Buch „Wunderbare Zeitvermehrung“, einen Meditationsweg, der die Achterbahn in einem entschleunigt und den Wunschzettel vor Augen führt, in dem jeder Mensch für sich seinen individuellen Rahmen findet.
Dieser Meditationsweg lautet wie folgt: „Die außerordentlichen Anstrengungen unterlassen. Die zusätzlichen Handlungen einstellen. Die üblichen Verrichtungen sich selbst überlassen. Die notwendigen Maßnahmen einschränken. Die unerlässlichen Bewegungen verlangsamen. Die Augen, die Ohren, den Mund verschließen. Worte nicht reden. Gedanken nicht denken, den Atem verhalten. Stille ist kostbar.“
Und ja, es ist und bleibt eine Königsdisziplin, in die Stille zu gehen und sich und die Stille auszuhalten. Dabei benötigt es manchmal gar nicht viel: Innehalten bei einer Tasse Kaffee oder Tee. In sich hineinhorchen und sich fragen: „Was brauche ich heute, um gut durch den Tag zu kommen?“ Nachspüren und sagen: „Ich definiere meinen Wunschzettel, Jetzt & Hier.“ Vielleicht sogar jeden Tag neu.
Probieren Sie es aus, es lohnt sich.
Cora Neumann, Krankenausseelsorgerin in den Kliniken des Landkreises Diepholz