Eine andere Breminale

22. Juli 2023

Wort zum Sonntag

am 22. Juli 2023

Vier alte Musiker. Unterwegs. Die Weser flussabwärts. 

Obwohl sie alt und lahm waren, zahnlos und gebeugt. Unfreiwillig, doch nicht ohne Hoffnung, machten sie sich auf den Weg. Nach Bremen. Aufgebrochen und ausgebrochen, weil sie alt geworden sind und nutzlos. Der Esel, der Hund , die Katze, der Hahn. Umbringen wollte man sie. Doch es kam anders. "Ei was, du Rotkopf, " sagte der Esel zum Hahn, "zieh mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall." Ausbrechen und abhauen, das ist manchmal die letzte Chance. Der Hahn lies sich den Vorschlag des Esels gefallen. Da waren die Stadtmusikanten zu viert und gingen fort, nach Bremen.

Das ist in der Tat eine abenteuerliche Vorstellung:

Menschen stehen auf vom Schreibtisch. Stechuhren bleiben stehen. Kugelschreiber fallen zu Boden. Autos scheren aus aus der Schlange. Produktionsbänder werden verlassen. Blaumänner werden an den Nagel gehängt.

Das ist doch einmal etwas Neues auf dem Weg von der Wiege bis zur Bahre: Aussteigen und etwas ganz Anderes machen.

Manager machen Musik. Polizisten züchten Rosen.

Sekretärinnen machen Kunst. Hausmeister schreiben Geschichten und Finanzbeamte werden Weltenbummler.

Die Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten hält fest, was vielleicht auch Jesus bewegt hat, loszugehen und mit vielem zu brechen, was den Menschen damals hoch und heilig war. "Geh mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall." So etwas wird auch Jesus zu den Leuten gesagt haben, denen er begegnete.

Es geschah einmal, als er mit seinen Freunden unterwegs war, da sah er den Zöllner Levi am Zoll sitzen und sprach zu ihm: "Folge mir nach!" Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm.

Ich weiß, wir sind zu vernünftig, um von heute auf morgen alles stehen und liegen zu lassen.

Die meisten von uns sind keine Helden und ich bin es auch nicht. Und doch, ich glaube die Sehnsucht, einmal alles ganz anders zu machen, ist tief in uns drin. Jesu Aufforderung: „Folge mir nach!“, sagt auch mir etwas.

Ich lebe nur einmal, ein einziges Mal und muss herausfinden: Was will ich damit machen? Woran glaube ich?

Und dafür muss etwas riskieren.

Sicher: Ich kann, wenn ich etwas wage, auch verlieren. Doch auch das Verlieren bekommt Sinn, wenn ich weiß, woran ich glaube.

"Ei was, du Rotkopf, " sagte der Esel zum Hahn, "zieh mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall.

"Folge mir nach!" sagt Jesus. Menschen stehen auf, ändern die Richtung, wechseln die Seiten, machen etwas anders.

Andreas Ruh
Pastor/Klinikseelsorger