Der zweite Schlag saß tiefer

11. Mai 2024

Wort zum Sonntag

Pastor Rainer Hoffmann; Foto: Jantje Ehlers

am 11. Mai 2024

Im letzten Jahr verstarb einer meiner besten Jugendfreunde. Als mir seine Frau die Nachricht mitteilte, traf mich der Schlag, denn ich hatte mit ihm kurz vorher erst miteinander vergnügt über die alten Zeiten gesprochen. Und dann die Nachricht von seinem Tod. Lange sprach ich mit seiner Frau, versuchte tröstende Worte zu finden und ihr Mut zu machen für ein Leben ohne den Menschen, der jahrelang liebevoll an ihrer Seite stand. Ich spürte meine Worte taten ihr gut, aber ich spürte noch etwas, das im Hintergrund ablief. Etwas, was sie sich nicht gleich zu Beginn zu trauen sagte.

Nach mehr als einer ½ Stunde kam sie dann damit raus und sagte mir: Rainer verstehe bitte, dass du nicht zur Beerdigung kommen kannst, da ich die Feier nur im engsten Familienkreis machen möchte, nur ich, meine Kinder, seine Mutter und meine Eltern. Ich verstand es nicht, verstehe es auch bis heute nicht. Kein begleitender Abschied möglich von einem meiner besten Freunde. Für mich saß dieser Schlag tiefer, als die Nachricht vom Tod, weil er nun im Grunde selbst die letzte noch mögliche direkte Anteilnahme zerstört hat. Gut ich konnte noch – und habe es auch getan – später an seinem Grab Abschied nehmen, aber das war etwas ganz anderes als an dem Moment teilzuhaben, der ihn und sein Leben noch einmal würdigte.

Ich höre solche Erlebnisse immer wieder auch von anderen Menschen. Menschen, die einen guten Freund oder eine gute Freundin verloren haben und beim Abschied nicht dabei sein dürfen. Menschen, die traurig und oft genauso wie ich verständislos reagieren auf die Nachricht: Du bist nicht dabei! Und ich frage mich, ob wir mit dieser Praxis, unser Leben nur noch auf engste Familie zu reduzieren, bald an den Punkt ankommen, wo selbst diese kleine Zelle „Familie“ nicht mehr funktioniert. Dann heißt es – und leider erlebe ich das auch in meiner Praxis als Seelsorger – Abschied allein. Abschied, nur noch begleitet von denen, die beruflich ihren Pflichten nachgehen. Für mich eine trostlose Vorstellung, selbst als ein Mensch, der glaubt, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist und hoffnungsvoll in die Zukunft schaut.

Ihr Pastor Rainer Hoffmann