Das Kruzifix

20. Februar 2021

Wort zum Sonntag

Pastorin Bettina Burkhardt; Foto: privat

am 20. Februar 2021

„Schrecklich dieses furchtbare Kreuz. Könnte man die Kreuze nicht einfach abschaffen?“ So sagte eine Frau bei einer Kirchenbesichtigung. 

Kindergartenkinder, zum ersten Mal in der Kirche, zeigten erschrocken auf den Gekreuzigten und sagten: „Das tut doch weh!“ 

Die Darstellung des leidenden Jesus am Kreuz dürfte keinen Menschen ungerührt lassen. Dennoch kann sie Hilfe und Trost bieten.  Das Kreuz, das hier abgebildet ist, hat mein Schwiegervater aus der Kriegsgefangenschaft am kaspischen Meer auf abenteuerlichen Wegen nach Hause gebracht. Er war Pastor der bekennenden Kirche und Soldat im zweiten Weltkrieg und wurde gefangen genommen. Er haderte sehr mit seinem Los bis ein Mitgefangener zu ihm sagte: „Sie sind doch Pastor. Warum halten Sie uns keine Gottesdienste?“ Da wusste mein Schwiegervater, warum er dort hingekommen war. Einer seiner Mitgefangenen hat diese Jesusfigur geschnitzt. Sie ist nicht künstlerisch wertvoll. Sie wurde aus dem Holz gemacht, das gerade zur Hand war. Dieses Kruzifix stand bei den Gottesdiensten im Gefangenenlager vorne. Ein Leidender unter Leidenden, die nicht wussten, wie ihre Zukunft aussehen würde. Vielleicht hatten sie im Krieg wie Jesus zu Gott gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Als sie Todesangst erlebten und das Sterben von Kameraden. Vielleicht hatten sie die Hoffnung auf das Leben schon aufgegeben. In dieser Situation tröstete sie der Blick auf den Gekreuzigten. Denn die Darstellung zeigt zum einen: Jesus, Gottes Sohn, hat selbst gelitten. Er kennt das Leiden. Er kennt die Angst und das Gefühl der Gottverlassenheit. So einer versteht mich, wenn ich leide. Zu so einem kann ich beten und um Hilfe rufen. Zum anderen ist dieses Kreuz bereits ein Hinweis auf die Rettung. Jesus, dessen Namen übersetzt „Gott hilft“ bedeutet, hat uns gerettet. Das Kreuz war nicht das Ende, sondern steht für die Überwindung des Todes. Gott erweckte seinen Sohn zu neuem Leben. Das alles geschah, damit wir selbst in tiefem Leid die Hoffnung haben dürfen: Gott rettete Jesus und er wird auch mich vom ewigen Tod erretten und mir das ewige Leben schenken.


Das Leid können wir aus unserem Leben nicht ausklammern. Es gehört zu unserem Leben so wie die Kreuze in die Kirchen gehören. Aber Leiden und Tod werden nicht das letzte Wort haben. Das ist die große Verheißung für uns. In diesem Sinne wünscht Ihnen/Euch eine trostvolle Passionszeit


Bettina Burkhardt, Pastorin in Brockum und Burlage