am 6. Dezember 2025
Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine gefährliche Zeit. Nicht für alle. Es gibt Menschen, die sich glücklich schätzen können, weil sie sich unbefangen auf diese Zeit freuen können. Weil sie Advent und Weihnachten genießen können. Weil sie Zeit haben für Glühwein, Spekulatius, Kerzenlicht, einen Bummel über den Weihnachtsmarkt. Weil sie sich Zeit nehmen können für die große Erwartung, die Advent und Weihnachten prägt: Gott kommt zu den Menschen! Gott selbst wird Mensch – als Kind in der Krippe!
Aber es gibt auch die, für die Advent und Weihnachten gefährlich sind. Weil sie fast zusammenbrechen unter der Last der Erwartung, alles müsse perfekt und harmonisch ablaufen. Weil sie nicht wissen, wie sie das erste Weihnachten nach der Trennung, nach dem Tod eines geliebten Menschen, nach dem großen Streit mit Eltern oder Kindern überstehen sollen. Weil das Geld fehlt, um wenigstens ein paar kleine Geschenke zu kaufen. Weil sie auch jetzt – wie das ganze Jahr – um ihr tägliches Brot bangen müssen, auf der Flucht, verfolgt oder im Gefängnis sind. Weil ihre Welt ins Wanken geraten ist.
Das Kind aus der Krippe ist zu einem Mann herangewachsen – Jesus von Nazareth. Er ist zu denen gegangen, deren Welt ins Wanken geraten war. Er hat Menschen um sich gesammelt – „Jüngerinnen“ und „Jünger“ nennen wir sie – und mit ihnen geredet. „Die Welt gerät ins Wanken“, hat er zu ihnen gesagt. Und er hat damit nicht nur Ihre oder meine persönliche Welt gemeint, sondern durchaus auch die Welt, Gottes Schöpfung, als Ganzes. Und dann? Kopf in den Sand? Jesus empfiehlt denen, die mit ihm unterwegs sind, um von ihm zu lernen, das Gegenteil: „Ihr sollt euch aufrichten und euren Kopf heben: Eure Erlösung kommt bald!“
Nicht: „Kopf hoch, es wird schon wieder!“ Sondern: „Richtet euch auf!“ Seht und geht dem entgegen, der in diese ins Wanken geratene Welt kommt, um sie heil zu machen! Nicht ohne Grund wird erzählt, er sei als heimatloses Kind in einer Notunterkunft geboren; denn er kommt ja gerade für die, deren Welt ins Wanken geraten ist. Damit sie sich aufrichten können. Und er kommt zu Ihnen und mir, die wir Advent und Weihnachten genießen können. Damit wir uns umsehen: Wo sind die, nebenan und in aller Welt, deren Welt ins Wanken geraten ist? Damit wir ihnen Grund geben, sich aufzurichten und den Kopf zu heben.
Michael Steinmeyer, Pastor in der Gesamtkirchengemeinde Ströhen-Wagenfeld