Wanderschaft in die Freiheit

23. April 2022

Wort zum Sonntag

am 23. April 2022

Wandern ist modern. In Coronazeiten war es erlaubtes Hobby. Spätestens seit dem sich Hape Kerkeling aufgemacht hat, ist auch Pilgern Wunsch vieler Menschen. Sich auf den Weg zu machen und Schritt für Schritt einem Ziel entgegen zu gehen, über Gott, die Welt und sich nachzudenken ist anstrengend und schön. Nicht selten führen die gegangenen Wege zu Veränderungen des Lebensweges. Die Bibel ist voller Weggeschichten: Die unzähligen Kilometer, die Jesus mit seinen Freunden gelaufen ist und dabei seine Sicht auf Leben und Glauben mit ihnen geteilt hat. Die Wanderungen des Nomaden Abraham und seiner Kinder. Doch viel mehr sind Flucht oder aber auch Rettung aus lebensfeindlichem Umfeld ein Thema. Die Hebräer waren unterdrückt und zogen aus – durch Gottes Hand. Gott ist  gegen jede Entrechtung von Menschen, er beendet gewaltsames Unterwerfen. Durch gemeinsames Lernen und Essen um einen Tisch soll ein Umdenken der Herzen bewirkt werden. Heute sitzen wir wieder mit geflüchteten Menschen zusammen und lernen sie kennen. Nehmen auf, öffnen uns und werden beschenkt mit der Überwindung der Fremdheit. Das ist gar nicht so einfach.

Das Pesachfest, das für Jüd*innen in aller Welt heute zu Ende geht, feiert die Befreiung aus Unterdrückung und feindlicher Übernahme so, dass jeder sich fühlen soll, als sei er selbst aus dem Sklavenhaus ausgezogen. Jeder soll die Qual spüren, damit die Freiheit nicht selbstverständlich hingenommen wird, sondern ein Wunder bleibt. Allerdings gibt es auch in dieser Erzählung der Befreiung Tote: Die Soldaten des Pharao, von ihm angetrieben, dem ausziehenden Volk hinterher zu rennen und sie zu metzeln. Sie versinken im Meer. Das Meer hatte den Weg für die Verfolgten freigegeben und stürzte sich auf die Häscher des Todes. Viele Menschen, die das heute lesen, beschweren sich über die Grausamkeit: Die Soldaten handeln doch nur auf den Befehl des Pharaos! Ich wünschte, dass die Soldaten Pharaos sich geweigert hätten, den unsinnigen Mordbefehl auszuführen. Sie würden leben. So wie ich heute wünschte, dass die Soldaten Russlands diesem Aggressor massenhaft die Gefolgschaft verweigerten.

How many roads must a man walk walk down… Yes, and how many deaths will it take 'til he knows that too many people have died? The answer, my friend, is blowing in the wind.

Wie viele Wege muss ein Mensch gehen...  Wie viele Tote braucht es, bis wir wissen, dass es zu viele sind? Die Antwort sollte nicht nur der Wind kennen.

Silke van Doorn, Pastorin in Freistatt