Nikolaus am Impfbus

04. Dezember 2021

Wort zum Sonntag

Frauke Laging Diakonin im Kirchenkreis Diakonin in St. Nicolai, Diepholz Foto: Jantje Ehlers

am 4. Dezember 2021

Es klingelt und ein Engel steht vor der Tür und überreicht dir ein Paket. Was ist drin? „Eine Rauchwolke kommt und Corona ist plötzlich weg! Die Menschen können sich wieder umarmen!" So oder ähnlich antworten viele meiner Konfis.

Montag ist Nikolaus - mein Lieblingstag im Jahr. Und ein Tag, an dem Wünsche erfüllt werden. Im Gegensatz zum Weihnachtsmann hat's den Nikolaus wirklich gegeben und als Freund der Kinder half er ihnen so gut er konnte, oft auch heimlich.

Mit dem von seinen früh verstorbenen Eltern geerbten Geld - so sagt man - hat er den Menschen in seiner Stadt Myra geholfen: einer Hafenstadt, in der es viel Armut gab.

Und heute? Ich stelle mir das so vor:

Nikolaus steht am Impfbus. Er beobachtet den Streit einer Tochter mit ihren Eltern. „Ich kann selbst entscheiden!" – „Aber wir machen uns Sorgen! Wir wollen doch nur, dass es dir gut geht!" – „Dann erlaubt mir, dass ich mich impfen lasse. Ich will kein Corona kriegen und ich will, dass das alles endlich aufhört!"

Ich stelle mir vor, wie Nikolaus den Kopf schüttelt. Die Sorge und Ängste der Eltern versteht er, auch wenn er selbst keine Kinder hat. Als Bischof kommt er in viele Häuser und viele Menschen vertrauen sich ihm an. Noch während er darüber nachdenkt, wie er der Familie helfen kann, hört er, wie jemand die Arzthelferin am Eingang des Busses laut anspricht. „Hier geht es doch nur darum, dass die Pharmaindustrie ein dickes Geschäft macht!" Verzweifelt ringt ein Mann mit den Händen. Nikolaus sieht die Verunsicherung in seinen Augen. Auch Wut. „Manchmal geben wir anderen die Schuld dafür, wenn wir nicht bekommen, was wir uns wünschen", denkt Nikolaus. Sein Herz ist groß genug für den wütenden Mann. Gleich wird er mit ihm sprechen. Wird versuchen, ihm zu erklären, dass die Impfung ein Akt der Nächstenliebe und Solidarität ist. Über Intensivbetten wird er sprechen und den wahrscheinlich weniger schweren Verlauf der Krankheit, falls man sich doch ansteckt. Und darüber, wie stark sein Vertrauen in Mediziner*innen ist. Gleich wird er versuchen, dem Mann zu zeigen, dass er zuhört und ihn mit seinen Sorgen ernst nimmt. Aber erst mal ist etwas Dringenderes zu erledigen. Nikolaus lehnt seinen Stab an die Krankenliege und krempelt den Ärmel des Bischofsmantels hoch. Jetzt wird geboostert.

Frauke Laging, Diakonin, St. Nicolaikirchengemeinde und Evangelischer Kreisjugenddienst Diepholz