Nach-Weihnachtszeit

15. Januar 2022

Wort zum Sonntag

am 15. Januar 2022

Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. (Jesaja 42, 1)
Mit diesem Vers hatte schon lange vorher der Prophet Jesaja die Geburt des Kindes in der Krippe im Stall von Bethlehem angekündigt, die wir am Heiligabend und den Weihnachts-tagen danach gefeiert haben.
Heiligabend, Weihnachten, Silvester – sogar der Tag der Heiligen drei Könige die mit den Hirten den neuen Erdenbürger begrüßten, sind vorüber. Dieser Tag, an dem in meiner Kinderzeit der Weihnachtsbaum abgeschmückt wurde, die Kerzen, die Kugeln, das Lametta und das Engelshaar in Kisten verstaut wieder auf den Dachboden wanderten.

Und dann ist Weinachten vorbei, dann geht alles so weiter wie vorher, wie immer schon? Die Menschen in Ostafrika und in anderen Gegenden der Welt leiden Hunger, die Flüchtlinge, die sich auf den Weg in eine bessere Zukunft machten, ertrinken weiter im Mittelmeer, sitzen in den Wäldern an der belarussisch-polnischen Grenze fest, in den Industrienationen werden in der Corona-Pandemie die Reichen noch reicher und die Armen immer ärmer und mehr.

Es ist nur schwer zu ertragen, dass wir Christen, wir alle mit diesen schrecklichen Bildern  leben müssen, dass die Jahrtausende alte prophetische Verheißung „… er wird das Recht unter die Heiden bringen.“ so wenig zur Geltung gebracht werden konnte.
Manchmal denke ich, die einzige Möglichkeit, das auszuhalten, besteht darin, die Augen zu schließen angesichts der Widersprüchlichkeiten und den Unmenschlichkeiten unserer Zeit.

Wie ein Hoffnungslicht erscheint da die Nachricht, dass mehrere Hundert Flüchtlinge, die von den Rettungsschiffen aus dem Mittelmeer geborgen wurden, nun an Land gehen dürfen, die Schiffe verlassen können.

Diese Nachricht lässt hoffen, dass weiter gilt „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.
(Jesaja 42, 3)

Der Knecht, von dem Jesaja kündigt, ist keiner, vom dem wir – oft abwertend – so reden. Autoritätshörige Zeitgenossen oder sich einschleimende Mitschüler werden nicht gemocht, schon das Wort ist unsympathisch.

Von einem ganz anderen Knecht redet Jeremia: Er meint damit Menschen, die im Dienst Gottes stehen, die Gottes Werk auf Erden tun, die im Namen Gottes Lebensverhältnisse verändern, die Recht, Erbarmen und Gotteserkenntnis aufrichten. Der Knecht, von dem Jesaja spricht, wird keinem den Rest geben, sondern aufrichten und trösten!
Martin Luther hat dafür die geniale Formel gefunden, Christen seien „Dienstbarer Knecht“ und „Freier Herr“ zugleich. In einem Fachpraktikum während meines Studiums an einer Grundschule in Oldenburg haben wir dafür einmal den Satz „Gott die Hände leihen!“
gefunden.
Die lutherische Formel und der Grundschulsatz bringen die Erfahrung zum Ausdruck, dass wir in unserem Leben schon alle Situationen durchlebt haben, an deren Ende wir dachten: Wenn ich gewusst hätte, was mir bevorsteht, hätte ich nicht geglaubt, dass ich das schaffe!“

Eine Menge solcher Erfahrungen mag ich keinem Menschen wünschen.
Aber am Ende möge immer die Erfahrung stehen: Es geht weiter, meine innere Kraft reicht, ich finde einen neuen Weg.
Einige werden dann sagen: Zufall oder: Glück gehabt!
Andere werden – wie ich – sagen: Gott sei Dank!

Rainer Triller, Prädikant aus Freistatt