am 20. Dezember 2025
Ich liebe es, wenn Weihnachten die Kirche voll ist und pulsiert: festliche Stimmung, warme Atmosphäre, der Tannenbaum mit Lichtern und vertraute Lieder wie „O du fröhliche“. Dann ist Weihnachten komplett. Es ist verständlich, dass dieses Gefühl vielen wichtig ist – Erinnerungen kommen hoch, es ist einfach schön. Ein Gedanke: Könnte man den Song „Last Christmas“ von der Orgel einbauen? Er würde unsere weihnachtliche Kultur spiegeln. Musik gehört schließlich zum Leben – auch im Weihnachtsgottesdienst. Das hätte doch was, die Besucher mit so einer Überraschung zu begrüßen.
Warum sind an Weihnachten die Kirchen so voll und sonst das Gotteshaus eher leer? Das beschäftigt mich. Die Leute sagen, der Kirchgang zu Weihnachten sei normal, doch sie empfinden uns oft als nicht mehr zeitgemäß. Das steht im Widerspruch zu dem, was wir an Weihnachten feiern, nämlich etwas völlig Neues. Ich denke an den menschgewordenen Gott in der Krippe, der deshalb in unsere Welt gekommen ist, damit wir ihn besser verstehen können – von Mensch zu Mensch. Diese Augenhöhe ist absolut neu. Ganz anders als erwartet. Gott hat alles gegeben, um uns seine Liebe zu zeigen – mehr geht nicht. Wenn ich von dieser Liebe Gottes erzähle, muss ich wissen, wie die Botschaft am besten bei den Menschen von heute(!) ankommt, statt nur an alten Angeboten, Formen und Strukturen festzuhalten, die niemand mehr nachfragt oder Ressourcen hat.
Bemerkenswert finde ich die regelmäßige Resonanz unserer Kneipengottesdienste im Schwarzen Ross: „Warum kann Kirche nicht öfter so sein?“ Solche Rückmeldungen nehme ich sehr ernst. Auch die Wünsche der Eltern, den Taufgottesdienst „locker und modern“ zu gestalten. Dass Gottesdienst auch Spaß machen darf, darauf kommen die wenigsten. Und hin und wieder frage ich: „Wie müsste ein Gottesdienst aussehen, dass du dich ärgerst, wenn du ihn verpasst hast?“
Wenn Kirche mehr als nur „Alle Jahre wieder“ bieten will, muss sie sich radikal verändern. Die Reformation liegt nicht hinter uns – sie liegt vor uns. Überrasche die Menschen, so wie das kleine Kind in der Krippe uns überrascht hat. Wer hätte gedacht, dass sich der ewige Gott in diesem Kind offenbart? Niemand. Das war die eigentliche Zeitenwende. Deshalb ist Gott immer wieder für Überraschungen gut. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich von dem Wunder in der Krippe berühren und überraschen lassen – über Weihnachten hinaus.
In diesem Sinne - Fröhliche Weihnachten!
Pastor Michael Wendel, Sulingen