Zeit für´s Erntefest

20. September 2025

Wort zum Sonntag

Gerald Engeler, Foto: Jantje Ehlers

am 20. September 2025

In vielen Dörfern werden gerade Erntefeste gefeiert. Menschen sind ausgelassen, haben sich verkleidet, mal nostalgisch, mal witzig. Trecker samt Anhänger sind phantasievoll und aufwendig geschmückt, jeder möchte den ersten Preis gewinnen. Mit Musik und bester Stimmung wird das Ende der Erntesaison fröhlich begangen.

In den Kirchen wird das Erntedankfest erst in 2 Wochen gefeiert. Nicht Ihre Sache, meinen Sie?
Weil Sie nicht in der Landwirtschaft arbeiten, auch keinen Garten haben, nicht mal einen Obstbaum? Mag sein. Dennoch sind wir doch alle von den Ernteerträgen der Landwirte abhängig und so gesehen betrifft uns dies Fest zumindest indirekt. Doch mal ganz abgesehen von den Früchten der Felder und Gärten möchte Sie dazu anregen, so etwas wie eine Bilanz Ihrer persönlichen „Ernte 2025“ zu ziehen.
Nehmen Sie sich Zeit und denken Sie zurück an Frühjahr und Sommer und fragen Sie sich:

Was ist Ihnen wirklich in diesem Jahr gelungen, vielleicht sogar besser als erwartet?
Wo missglückte Ihnen etwas und die Folgen konnten Sie oder ein anderer noch einmal ausbügeln?
Was fiel Ihnen einfach so in den Schoß, ganz unverdient ohne eigenes Zutun?
Gab es eine freudige Überraschung, völlig unerwartet?
Was können Sie ganz selbstverständlich und ohne große Mühe (so wie z.B. diese Zeilen lesen)?
Was bekommen Sie ganz selbstverständlich?
Ist es Ihnen etwa unangenehm oder peinlich, dafür zu danken?
Wann haben Sie das letzte Mal „Danke“ gesagt? Und es auch wirklich so gemeint?

Ich weiß nicht, wie Ihre Bilanz ausfällt. Aber ich bin sicher, Sie werden entdecken, wie viel Sie haben und können, ohne dass Sie dafür viel getan hätten oder tun mussten. Zufall? Eben Glück gehabt?  
Oder ist vieles nicht doch eine Gabe Gottes an Sie, der es gut mit Ihnen meint?

Für mich persönlich entscheidet sich alles an diesem kleinen Wort „Dank“. Will ich nur die Korken knallen lassen? Nach dem Motto: man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen! Und nun ist eben Zeit für´s Erntefest.

Oder bewegt mich dabei auch noch ein dankbares Herz? Bin ich bereit, hinter die Kulissen meines Wohlstands zu schauen, ohne gleich zu meinen, mir stände ja alles zu? Denken und danken sind verwandte Wörter; wir danken dem Leben, in dem wir es bedenken, sagte mal Thomas Mann.

Ich will die Ernte nur feiern mit der Einstellung der Dankbarkeit, dem Gedächtnis des Herzens. Beides gehört für mich zusammen, wie die Krippe zu Weihnachten. So empfinde wohl nicht nur ich, sonst wäre ich nicht wieder zu etlichen Erntefesten eingeladen worden. Danke!

Gerald Engeler
Pastor der Ev.-luth. Kirchengemeinde Schwaförden-Scholen