Schmetterlinge im Herzen

19. September 2020

Wort zum Sonntag

am 19. September 2020

Manchmal wird ein Urlaub unverhofft zum Bildungsurlaub. So habe ich es in diesem ausklingenden Sommer erlebt, als ich mit meinen Kindern eine Schmetterlingshalle besuchte. In zig verschiedenen Variationen und Farben waren dort die schönsten Falter zu beobachten, wie sie durch die Luft flatterten. Ein besonders schönes Exemplar mit blau-gelben Flügeln setzte sich sogar auf meinen Unterarm, so als hätte es mir etwas zu sagen. Später habe ich dann erfahren, dass eine Raupe um die zwei Wochen braucht, bis sie sich in ihrer Puppe vollständig zum Schmetterling entwickelt hat und dann majestätisch in die Lüfte aufsteigen kann. Einige Schmetterlingsarten leben allerdings gerade einmal drei Wochen. „Was für eine Verschwendung!“, war meine erste Reaktion, als ich das hörte. Fast die Hälfte seines Lebens mit dem mühsamen Entwicklungsprozess zuzubringen, nur um sich dann ein paar Tage lang des Lebens zu freuen. Den blau-gelben Falter auf meinem Unterarm schien das nicht zu stören. Nach einer kleinen Verschnaufpause erhob er sich auch schon wieder und führte einen wilden Lufttanz vor meinen Augen auf. So, als wüsste er, dass jeder Tag zählt.

Ein Mensch verbringt neun Monate im Mutterleib. Dann ist seine körperliche Entwicklung abgeschlossen. Unsere Lebenserwartung übertrifft die eines Schmetterlings bei weitem. Und doch, so habe ich den Eindruck, schaffen es nur wenige Menschen,  jemals so ganz bei sich und im „flow“ zu sein, wie der Schmetterling. Und möglicherweise ist es gerade die lange Lebenserwartung, die uns daran hindert. Denn wenn ich zu wissen meine, dass mir noch viel Zeit bleibt, dann kann es mir schnell passieren, dass ich die wirklich wichtigen Dinge meines Lebens auf ein Übermorgen verschiebe, das es vielleicht so nie geben wird.

Als Christen leben wir aus der Hoffnung, dass Gott noch mehr für uns bereithält, als das Diesseits. Gerade deswegen müssen wir nicht ständig fieberhaft auf der Suche nach einem neuen Abenteuer sein, um in diesem Leben auch ja nichts zu verpassen. Aber Jesus hat die Menschen in seiner Umgebung eben auch dazu ermutigt, ganz im hier und jetzt zu leben und jeden neuen Tag mit Liebe und Sinn zu füllen. „Sorgt euch nicht um morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“, so hat er es in seiner berühmten Bergpredigt einmal ausgedrückt (nachzulesen im Matthäusevangelium, Kapitel 6)

Das möchte ich von dem Schmetterling und durch die Augen Jesu lernen: Dieser Tag ist kostbar. Denn er ist ein Geschenk. Und ich darf ihn nutzen, um mich unter Gottes weitem Himmel zu entfalten – auch zur Freude anderer!

Pastor Torben Schröder
Barnstorf